AQUARELL IN GRAU

Aquarell in Grau - Bilder über und dank Mascha Kalékos Poesie

"Wenn Berlins Bilder in Poesie gefasst werden und die Stimmung dieser Gedichte wiederum zu Fotografien inspiriert, dann haben sich die Arbeiten zweier Künstlerinnen gefunden: Inessa Dolinskaia
folgte den Spuren der Dichterin durch die Stadt, in der Kaléko ein "paar leuchtende Jahre" lang gelebt hatte"

Entdeckt habe ich Mascha Kalékos Poesie in 2007. Damals schenkte mir Marina Gerschenowich eine von ihr selbst ins Russisch übersetzte Gedichtsammlung von Mascha Kaléko. Schon damals dachte ich an eine fotografische Umsetzung, aber andere Projekte hielten mich auf. So lag das Buch viele Jahre im Bücherregal, ohne dass ich meine Idee realisieren konnte.
Als meine Tochter zweieinhalb Jahre alt war, fragte sie mich, warum die Wolken fliegen, aber nicht herunterfallen. Ich antworte, ohne lange nachzudenken: "Weil sie vom Wind getragen werden." In Mascha Kalékos Poesie ist es ähnlich – auch sie erscheint wie vom Wind getragen. 
1918 kam Mascha mit elf Jahren nach Berlin. Elf Jahre später, im Alter von 22, veröffentlichte sie ihre ersten Gedichte. Beim Lesen ihrer Werke spürt man, dass sie nach all den Jahren in Berlin angekommen und mit der Stadt vertraut war.
Hier treffen sich Maschas und meine Lebensgeschichte, denn auch ich war im selben Alter, als ich mit meinen Eltern aus Chernyakhovsk, Russland, nach Berlin kam. Im Laufe der Jahre entdeckte ich die Stadt immer mehr, die für mich wie auch für Mascha eine schöpferische Quelle wurde.
Maschas Schaffenszeit in Berlin waren die 1930er Jahre. Mit ihren Gedichten traf sie den Nerv der Zeit. Sie skizzierte das Berliner Alltagsleben wie auch Freundschaften, Liebesbeziehungen und viele Berliner Orte und Schauplätze, die in mir Bilder wecken, wie unsere Stadt in den 1930er Jahren wohl aussah, wie sie sich anfühlte, wie das Leben in ihr wirkte.Die Zeit in Berlin waren Mascha Kalékos "paar leuchtenden Jahre". Sie liebte ihre Stadt und konnte sich nur schwer von ihr trennen, als sie 1938 ins Exil nach Amerika auswandern musste.Und die Verbindung zu mir? Was bedeutet die Zeit in Berlin für mich?
Berlin ist mein Zuhause. Hier habe ich meine ersten Freundschaften entwickelt, hier habe ich meine erste große Liebe gefunden, hier habe ich mit 23 Jahren meine Liebe zur Fotografie entdeckt. Hier lernte ich zu träumen und zu fliegen. Ging es Mascha genau so? Ich bin mir sicher.
Was unterscheidet Berlin von anderen Städten? Jede Stadt hat eine positive, schöne, attraktive, aber auch eine weniger ansehnliche Seite. Bei Berlin ist dies meines Erachtens nicht der Fall. Denn das, was auf den ersten Blick unansehnlich wirkt, trägt eine innere Schönheit, die vorbeieilende Menschen oder auch Touristen nicht unbedingt erkennen können. Mascha hatte diesen besonderen Blick für diese unscheinbaren Dinge, denn sie war eine Beobachterin, die ihre Sicht mit Wörtern beschreiben konnte und dies mit viel Ironie tat.
Mitte, Charlottenburg und Steglitz waren Maschas Bezirke. Auch mein Leben und meine Arbeit sind geprägt von diesen Orten, da ich nur unweit von vielen Schauplätzen aus Mascha Kalékos Lyrik lebe. Durch die unmittelbare Nähe war es mir möglich, viele Fotoarbeiten direkt in der Straße oder im eigentlichen früheren Wohnhaus von Kaléko zu machen. Natürlich hat sich das heutige Berlin zu dem früheren verändert, doch denke ich, dass Mascha Berlin heute auch geliebt hätte. Gerade der Herbst, über den sie in zahlreichen Gedichten sinniert hatte, ist für mich bis heute die schönste Jahreszeit in der Hauptstadt. Der Herbst ist eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit der Entscheidungen und wichtiger Ereignisse in meinem Leben. Und diese Geschichte beginnt wieder im Herbst.

An dieser Stelle möchte ich etwas los werden. Die Arbeit habe ich für und mit Hilfe von AVIVA-Berlin gemacht. Ich habe die Arbeit so konzipiert, dass neben jedem Bild ein Gedicht von Mascha platziert wird, welches ich nach meiner Empfindung interpretiert habe. Aber, da Mascha nicht mehr am Leben ist, wird ihr Nachlass durch eine dritte Person verwaltet, die meine Bilder nicht passend fand und mir und der Redaktion nicht erlaubt, hat diese zu verwenden. Eine Art von Zensur, die auch im Jahr 2013 zu finden ist. Aus diesem Grunde habe ich für einige Bilder einen Namen vergeben, die einen direkten Bezug zum Gedicht haben und mit ein bisschen Geschicklichkeit kann man in Google schnell rausfinden um welches Gedicht es sich handelt.

 

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